Gal.la Uriol Jané

Malerei l Objekt


28. Januar – 10. März 2012

January 28th - March 10th 2012




In einem Raum mit den Werken von Gal.la Uriol: Der Betrachter ist verwirrt, fühlt sich überfordert angesichts der zahlreichen und gleichermaßen unterschiedlichen Bilder und Objekte, die ihn umgeben. Große und kleine Formate hängen da in sonderbaren Konstellationen. Die Augenhöhe des Betrachters ist nicht das Maß dieser Dinge. Es geht drunter und drüber – und dennoch wäre es ganz unrichtig zu behaupten, dass an den Wänden blankes Chaos herrschte. Da ist eine Ordnung, eine abstrakte. Vielleicht am ehesten vergleichbar mit der alphabetischen Reihenfolge, in der ein Lexikon den Bestand seiner Dinge versammelt und sortiert. Zwischen einem Aal und einem Abt gibt es außer dem gemeinsamen Anfangsbuchstaben tatsächlich keinen Zusammenhang. Die Dinge bleiben innerhalb des alphabetischen Gefüges ihrem Wesen nach unvermittelt nebeneinander stehen.

Hier hängt das kleine Bild, in dem Gal.la Uriol ihre Lust an plastischer Modellierung an einer Quitte auslebt. Die Frucht ist zweiansichtig und in feinen Graunuancen gegeben. Sie füllt das Format gänzlich. Ein wunderschönes Bildding ist da geschaffen – ein köstliches Stück Malerei.

Dort befindet sich ein ebenso kleines Hochformat völlig anderer Natur. Ins Auge fallen geometrische Strukturen: Ein Grund aus schwarzen und weißen Streifen, unterbrochen von einer grauen Fläche, darauf eine hellgrüne Form, die an ein aufgeschlagenes Buch denken lässt. Die breitgezogene Raute, welche unter der grünen Form haftet und diese parallel zu ihrer oberen Begrenzung abschließt, nimmt die schwarzen und weißen Streifen des Grundes wieder auf. Dies bewirkt, dass die mittige Kante der grünen Fläche stetig hervor- und zurückspringt und derart den Blick des Betrachters irritiert. Ein charmanter optischer Trick.

Ein Stück weiter eine mittelgroße Leinwand, etwas breiter als ein Quadrat. Ein atmosphärischer Raum tut sich auf: Lebendiges Grau. Zarteste Nuancen Mauve und Blau schimmern in zwei horizontalen Ebenen entlang der vertikal abgezogenen Oberfläche hervor. Der ruhigen Gestimmtheit, den dieses Bild erzeugt, ist nicht zu entgehen. Man ist beeindruckt und erstaunt im selben Moment, weil es im ganzen Raum kein zweites Gemälde gibt, das in vergleichbarer Weise atmosphärisch wirksam ist.

Etwas völlig anderes passiert, wenn wir den drei großen Landschaftsansichten dort drüben gegenüberstehen, die den Blick auf einen Berggipfel von einer saftig grünen Anhöhe mit Bäumen aus eröffnen und variieren. Da ist einmal das pure Motiv, ein Idyll, dem man aufgrund seiner pittoresken Erhabenheit als Betrachter unweigerlich Vorbehalte entgegenbringt. Doch schon beginnt die zweite Tafel, es zu destrukturieren: Etwas rechts von der Mitte, wo der Gipfel aufragt, schneidet Gal.la Uriol das Motiv vertikal ab und lässt es entsprechend der linken Seite von Neuem beginnen. Der »einmalige« Anblick wird verdoppelt und gerät zur formalen Sequenz. Auf der dritten Tafel wird das Idyll vollständig demontiert: Der blaue Gipfel und die saftig grüne Anhöhe enttarnen sich als aufklappbare Pappkulissen. Deutlich erkennen wir die Faltungen. Zudem werden an den Hangseiten des Berges Falzstreifen sichtbar, wie man sie etwa von den ausschneidbaren Papierkleidern einer Anziehpuppe kennt. Die Malerin bricht das idyllische Motiv überdeutlich auf. Aber geht es hier tatsächlich um die längst verdaute modernistische Erkenntnis eines René Magritte, der in seinen Bildern nicht müde wird zu sagen, dass es der Betrachter dabei nicht mit der Realität sondern mit der eigenständigen Wirklichkeit eines Bildes zu tun hat? Weit gefehlt. Nicht die modernistische Erkenntnis, sondern die amüsierte Reflexion über diese Erkenntnis ist Gegenstand der drei Landschaftsansichten. Die ziemlich ernsthafte Frage nach den postmodernen Möglichkeiten der Malerei verwandelt die Künstlerin in eine offensiv heitere Versuchsanordnung.

Und immer wieder begegnet uns eine vertikale Streifenstruktur, die unaufhaltsam große und kleine Bildwelten durchfährt und gleichsam mit ihnen verschmilzt. Sie schafft eine räumliche Bezugsebene. Es entsteht ein Davor, ein Dahinter und ein Dazwischen. Manchmal erscheint die Struktur wie ein Vorhang aus vertikalen Lamellen, der den Blick auf eine metaphysische Welt im selben Moment zeigt und verbirgt. Manchmal werden die Streifen auch zu einem Gerüst, durch das sich schwarze Linienkonstrukte, farbige Flecken und merkwürdige Kritzeleien spreizen. Je nach dem, welches dieser Bilder wir betrachten, überwiegt entweder der ordnende, ja ornamentale Charakter der Streifen, welcher der Komposition Halt verleiht, oder ihr störendes Potenzial, welches die motivische Unversehrtheit untergräbt. Ein irritierendes Schwanken zwischen Affirmation und Skepsis – bewirkt durch ein und dieselbe bildnerische Struktur.

Abermals anders verfahren die kleinen, an der Wand angebrachten Objekte aus farbiger Knetmasse. Erst beim zweiten Hinblicken wird klar, dass es sich dabei um plastische Raumansichten in Miniaturgröße handelt. Steht man in einiger Entfernung vor ihnen, erscheinen sie nämlich so flach wie ein Gemälde. Es handelt sich um orthogonale Gebilde, gebaut aus drei Ebenen, die wiederum in grellen farbigen Streifen schillern. Mit jedem Schritt nach vorne und zu den Seiten verändert sich die Ansichtigkeit des Objekts und damit auch sein reales Aussehen. Auch werden die Spuren sichtbar, welche die Fingerkuppen der Künstlerin beim Festdrücken auf der Knetmasse hinterlassen haben. Die Objekte sind reizvoll und verlockend. Man möchte sie berühren und ausprobieren wie ein kostbares Spielzeug.

Gal.la Uriol ist in ihrer künstlerischen Arbeit daran gelegen, immer wieder von Neuem zu beginnen, mit jedem Werk andere Fragen zu beleuchten, die an dem großen Geheimnis »Was ist Kunst?« rühren. Ihre Arbeiten lassen sich als Experimente begreifen, deren Ausgang sie mit großer Lust erprobt. Sie folgt einer eigenwilligen Versuchsanordnung. Dabei entsteht ein Laboratorium der Kunstdinge, das sich stetig erweitert. Querverbindungen werden sichtbar. Nicht das Eine, Absolute zählt, sondern das Viele, Vielgesichtige und Ungelöste.


Katrin Dillkofer