Anne Duk Hee Jordan

Installation


24. September - 12. November 2011





Anne Duk Hee Jordan, 1978 in Korea geboren, aufgewachsen in Deutschland, studiert an der Universität der Künste Berlin in der Fachklasse von Olafur Eliasson (Institut für Raumexperimente).

Jordan konstruiert in ihren Arbeiten Situationen, die gleichzeitig geprägt sind von Romantik und Sarkasmus, von Behutsamkeit und Aggression. In ihren Installationen und Filmen inszeniert sie Schauplätze in denen verschiedene, oft ambivalente, Identitäten und Rollen durch eine Figur ausagiert werden. Hierzu kreiert und konstruiert Jordan Räume, in denen organische Materialien und Prozesse auf technische Apparate und industriell produzierte Stoffe treffen und durch die mehr oder weniger sanfte Manipulation der Künstlerin als Gefüge funktionieren.

Der „Metrotopische Garten“ etwa wurde vor seiner Umsetzung in den Galerieraum von einer am zentral gelegenen Alexanderplatz wie beiläufig an einer Endhaltestelle abgestellten Straßenbahn beherbergt. Der Innenraum einer ausrangierten Straßenbahn diente als Aufstellort für zahlreiche Pflanzen, die den zellenartigen Raum zu überwuchern schienen. In der Enge der zweckentfremdeten Straßenbahn wird der Gegensatz zwischen den Pflanzen und den industriell hergestellten Komponenten der Straßenbahn überdeutlich: Auf den leicht gepolsterten und mit hässlich bunten, vandalismusresistenten Veloursstoffen aus Kunstfasern bezogenen Sitzen haben es sich circa 20 cm hohe bröselnde Erdmassen gemütlich gemacht. Auf ihnen wächst zum Beispiel weiches grünes Moos oder verschiedene Farnsorten. Eine fleischfressende Kannenpflanze [oder ist das ein Roter Frauenschuh?] hängt an einer mit gelbem Kunststoff ummantelten Haltestange – und ist im Weg. Platz für den Besucher, der das stehende Fahrzeug durchaus betreten kann, ist nur auf zwei Sitzplätzen und dem Sitz des Fahrers, von denen aus er durch die einzig freibleibenden Fenster, die Pflanzen im Rücken, die desolate Umgebung des Alexanderplatzes betrachten kann. 

Die „Erdbeerkanone“ besteht aus einem komplett weiß lackierten auf der Stelle fixierten Fahrrad und einem rot bemalten Apparat mit Schlauch, der es dem Besucher erlaubt, in einer libidinös besetzten Handlungsweise mittels einer durch Treten der Pedalen betriebenen hydraulischen Pumpe Erdbeeren zu schießen. Der Aufprall der mit großer Kraft herausgeschleuderten Erdbeeren wird von weißen Stofflagen gedämpft, gleichzeitig wird der Stoff durch den Farbstoff der Erdbeeren sukzessive und stellenweise verfärbt.

In dem hauptsächlich aus einzelnen Standbildern montierten Film „Alfred“ ist die Künstlerin selbst Akteurin und verwendet ihren eigenen Körper als Träger für eine Spatzen dargebotene Brotmahlzeit. In den ersten Aufnahmen scheint die Hauptfigur ein exotisch aussehendes Kostüm sowie einen folkloristischen Hut zu tragen, möglicherweise eine Tracht, die im starken Gegensatz zum urbanen Berliner Raum steht, in dem die Figur sich aufstellt. Aus den folgenden Aufnahmen jedoch wird deutlich, dass der Anzug aus aufgeschnittenen Fladenbroten besteht, die mit Schnüren um Arme und Torso gebunden wurden, mit der weichen, hellen Brotinnenseite nach außen. Der Versuch, hungrige Spatzen durch den Brotanzug an den eigenen Körper zu locken, bleibt jedoch vergeblich, wie die weiteren Bilder des Films dokumentieren. Als auch das Aufsuchen weiterer potentiell vogelreicher Orte in der Stadt ergebnislos bleibt, beginnt Jordan selbst Stücke des Brots abzuessen. Das letzte Drittel des Films zeigt eine Tonaufnahmn Jordans mitsamt des ungefressenen weichen Brotanzugs nach dem Besteigen ihres Autos mit angelegten Sicherheitsgurt, wobei die Körper-Kleidungs-Brot-Lagen nochmals mittels des stabilen schwarzen Kunststoffgewebes zusammengezurrt wurden, beim Fahren durch die Stadt. Die aus der gleichen Serie stammende Arbeit „desparate“ zeigt die Künstlerin bei einem weiteren erfolglosen Versuch, Vögel in ihre körperliche Nähe zu bringen, indem sie mit einem Schlauchboot, an dem hintereinander drei mit Brotkrümeln gefüllte Behälter befestigt sind, auf dem städtischen Berliner Landwehrkanal rudert. Weder Enten noch Schwäne interessieren sich für die angebotene Nahrung, sondern reagieren – in Falle eines Schwanes – sogar feindselig auf die offenbar als Eindringling wahrgenommene Bootsfahrerin. Anders als bei Alfred jedoch erhält der Betrachter hier schon bereits am Anfang des Filmes ambivalente visuelle Informationen: Die Videoaufnahme von Gesicht, Schultern, Brust und Armen der rudernden Künstlerin wird gleichzeitig durch weitere Aufnahmen ergänzt, die den Ausblick der Hauptfigur (auf den Himmel, das Wasser) oder ihren bewegten Körper beim Aufblasen des Boots mit einer Standpumpe zeigen.

Dr. Kirsten Weiss



Dr. Kirsten Weiss ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik der UdK. Sie begleitet den neu eingerichteten Studien- und Projektbereich IfREX (Institut für räumliche Experimente) an der UdK/Studio Olafur Eliasson und analysiert die transdisziplinären Arbeitsprozesse dieser Fachklasse. Sie studierte Amerikanistik und Kunstgeschichte in Frankfurt am Main und promovierte am Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit der Arbeit "The Face of the German House: Modernization and Cultural Anxiety in 20th Century Architectural Photographs".
Kirsten Weiss war zuvor Mitarbeiterin bei der form – Zeitschrift für Gestaltung, am Cooper-Hewitt National Design Museum Smithsonian Institution, am Busch-Reisinger Museum der Harvard University sowie an der ETH Zürich (Architektur und Digitale Fabrikation).


Anlässlich der Finissage der Ausstellung „IF hope exists ... there is no wasted land“ der Künstlerin Anne Duk Hee Jordan findet eine Versteigerung in der Galerie cubus-m statt. Der Erlös kommt der Projektgruppe 121Ethiopia zugute, deren Ziel die Verbesserung der Lebensbedingungen von Waisenkindern in Äthiopien ist. In ihrem aktuellen Projekt entwickelt 121Ethiopia in Zusammenarbeit mit einem lokalen Waisenhaus in Addis Abeba ein Aus-bildungsprogramm für Erzieherinnen. 121Ethiopia möchte das Bewusstsein für die Bedeutung von Bezugspersonen und Bildung für Kinder erhöhen und zur Entwicklung eines Mindeststandards an Kinderbetreuung in Äthiopien beitragen. 121Ethiopia ist ein Projekt der Hekla Stiftung, die ihren Sitz in Berlin und Zürich hat.

www.121ethiopia.org


In der Galerie cubus-m sind bis zum 12. November 2011 Installationen sowie Videoarbeiten von Anne Duk Hee Jordan zu sehen. Die in Korea geborene und in Deutschland aufgewachsene Künstlerin studiert an der Universität der Künste in der Fachklasse Olafur Eliasson. In ihren Arbeiten lässt sie ortsfremde, organische Materialien eine ungewohnte Liason mit der Umwelt oder mit inszenierten Situationen eingehen. Die Ergebnisse sind nicht vollständig planbar, sondern eigenen Gesetz-mäßigkeiten unterworfen. So können mittels der von Anne Duk Hee Jordan konstruierten „Erdbeerkanone“ Erdbeeren verschossen werden, die durch den Aufprall auf weiße Leinentücher explodieren und so den Stoff auf eigene Weise einfärben.


Eine weitere, raumfüllende Installation der Künstlerin mutet auf den ersten Blick wie ein labyrinthischer Garten an. Begibt sich der Besucher in diesen, betritt er eine beeindruckende Welt voller Kontraste und Polaritäten: Natur und Stadt, Konstruktion und Chaos, Leben und Tod treffen aufeinander. Während der Finissage können die in dieser Installation verwendeten Pflanzen einzeln ersteigert werden. Der Erlös dieser Versteigerung wird dem Projekt 121Ethiopia gespendet.