Mara Diener I Anne Duk Hee Jordan

Felix Schneeweiß I Gal•la Uriol Jané


08. Juni - 27. Juli 2013

June 08th - July 27th, 2013






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„Immer dasselbe... Nur ich bin nicht mehr dieselbe...“

Simone de Beauvoir


cubus-m präsentiert die Arbeiten der Künstlerinnen Mara Diener, Anne Duk Hee Jordan, GaI•la Uriol Jané und des Künstlers Felix Schneeweiß.


Das Lebendige – insbesondere vor dem Hintergrund radikaler Umwälzungen in den modernen Lebenswissenschaften – erstarrt in der reflexiven (Selbst-)Erfahrung. In einer uniformierten Welt lösen sich Erinnerungen und Sehnsüchte auf, werden Teil des sozialen Gedächtnisses, um endlich nur im leeren Raum präsent zu sein.  

Die Logik unserer Wahrnehmungen, mit der Prozesse nachvollziehbar werden, ist in unserer Sozialisation entstanden. Es ist das Unbekannte, welches wir immer seltener hinterfragen, sondern in unsere Logik als Inlay setzen, der vorhandenen Logik eine neue Dialektik geben.

Durch den Eingriff des Menschen in die Natur, haben soziale und ökologische Systeme ihre Fremdheit und Autonomie bereits verloren, kommen uns jedoch aus genau diesem Grund umso rätselhafter vor. Wie begegnen wir den dynamischen Mikrosystemen, in denen wir uns bewegen? Aus den vom Menschen bereits vielfach deformierten und wissenschaftlich durchdrungenen Erlebnisfeldern entstehen für Mara Diener, Anne Duk Hee Jordan, GaI•la Uriol Jané und Felix Schneeweiß aus Bewegung, Raum, Licht und Bedeutung gleichsam „Illusionsmaschinen“.

Das „ich verstehe“ setzt erst ein bei einem Sichbewegen aus der eigenen Rolle, der eigenen Ecke, in eine andere und bei der Auseinandersetzung mit der Frage nach der künstlerischen Arbeit.

Die selbst eingepflanzten Inlays werden zu Brücken, die zu anderen Kontexten führen.


Mara Dieners Arbeiten sind in einem Punkt festgehaltene Ergebnisse, ohne ein exaktes zeitliches oder räumliches Indiz. Diener setzt sich mit ihren Themen im Modell, in Skizzen, auf der Leinwand und im Video intensiv auseinander, wobei die Reihenfolge der verwendeten Medien kein tradierter Prozess ist, die Skizzen keine Vorstudie, das Ergebnis die Summe aus allem, eine Inszenierung im Raum, welche den Prozess der Auseinandersetzung nachvollziehen lässt. Die Malerei von Diener ist ein Bühnenraum, Perspektive und Raumöffnung lassen den Betrachter selber zum Protagonisten werden. Wie ein Dramaturg setzt sie ihre Werke in den Ausschnitt, in das Licht von filmischen Einstellungsgrößen: Nahe, Halbnahe, Totale. Diese Methodik lässt ihr den Spielraum, sich zwischen dem reduzierten, fast abstrakten und dem klar formulierten Raum zu bewegen. Mara Diener sichert Spuren, der Punkt auf dem Bild kann zu einem einzigen Beweis einer Handlung werden. In den Arbeiten „Ensemble“ und „Euphemismus“, 2013, treten die Fundstücke, Holzstöcke und Glasscheiben in einen Dialog mit der Malerei. Ist das Ergebnis das Resultat einer Recherche einer historischen Reflexion? Der Bezug zwischen den Elementen wird dem Protagonisten überlassen. Der Forschungsprozess der Künstlerin ist vergleichbar mit den Methoden der Archäologie und Ethnologie. Die wahrnehmbaren zeitlichen Ablagerungen als auch innere Tiefenschichten kultureller Entwicklungen werden mit einer Suggestion von Objektivität dargestellt. Mara Diener erschafft einen überwirklichen Raum einen Ort für synoptische Konflikte.


Anne Duk Hee Jordan versetzt ökologische Systeme in ein urbanes Umfeld, wo das Gestorbene (die Dekonstruktion) dem Lebendigen (der Rekonstruktion) gegenübergestellt wird. Erneuerung und Verbrauch von Energie als eine konstante Bewegung, stellen für die Künstlerin nicht nur eine Parallele zum menschlichen Dasein und damit zum menschlichen Organsystem dar: Auch die zwischenmenschliche Beziehung sowie das ergänzende, produktive oder auch destruktive Verhältnis zur (Um-)Welt wird thematisiert.

„Wenn der Grundstein schief liegt, kann die Mauer nicht gerade werden“, sagt ein afghanisches Sprichwort. In ihrer Arbeit „Stones from Khandhar - TLS – Taliban Last Stand“, 2013, lässt Anne Duk Hee Jordan Steine als Zeitzeugen sprechen. Die Steine stammen aus „KAF“, der U.S. militärischen Basisstation in Afghanistan. "KAF" ist nicht Afghanistan, es ist amerikanisches Land, jener letzte Rückzugsort in der die finale große Schlacht stattgefunden hat. Die Steine sind Zeugen des vergangenen und noch bestehenden Konfliktes, erzählen und tragen die Spuren des Krieges mit sich, offenbaren eine von vielen Geschichten, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben und transportieren diese in die Gegenwart zum Betrachter zurück. In der Installation „Stones from Khandhar - TLS – Taliban Last Stand“, 2013, werden die Steine mechanisch aneinander gerieben, der entstehende Staub, eine Brücke der Wahrnehmung, ein Symbol eines langen Prozesses.


Die Arbeit „Alfred 2“, basiert auf dem Film von Alfred Hitchcock „Die Vögel“. Eine von Außen in die Wirklichkeit hereinbrechende apokalyptische Erscheinung, jenseits von Kausalität, wird durch die Dopplung von Aggression und Provokation aufgezeigt. Die Fotografie wurde 2013 in New York mit einem wilden Star aufgenommen. Es ist die Weiterverfolgung von „Alfred“, die bereits als performative Intervention 2011 in Berlin stattgefunden hat.


Die Arbeiten von Felix Schneeweiß sind Abbildungen des Lebens. Er hinterfragt Symboliken unserer Gesellschaft. Seine Installationen und Zeichnungen thematisieren Begriffe, wie Erfolg und Zugehörigkeit, das Scheitern und die Ausgrenzung, Schein und Realität, Vergangenheit und Zukunft.

In den autobiografisch geprägten Arbeiten werden Symbole genutzt, die wir zur persönlichen Identifikation und Identifizierung verwenden, denen wir uns in unserem Streben nach der Erfüllung unserer Sehnsüchte unterwerfen. In seinen Zeichnungen reduziert er tradierte Elemente des Lebens oder der Werbung auf ihre linearen Strukturen. Er überlässt es dem Betrachter, eigene Beziehungen zu dem Dargestellten aufzubauen. Die Angst des Verlustes einer logisch erklärbaren Welt lässt uns Dinge konservieren, in der Arbeit „The lost painting“ überträgt Schneeweiß dieses mit der Metapher einer Ruine, die wie eine Miniaturansicht einer vergessenen, zerstörten Welt erscheint.


GaI•la Uriol Jané untersucht in ihren Arbeiten immer wieder die Möglichkeit der Perspektive. In ihrer Malerei überlagert sie Ebenen, legt Strukturen übereinander welche unsere „logischen“ Sehgewohnheiten irritieren. Die Suche nach der Perspektive ist für GaI•la Uriol Jané auch immer eine Suche nach einem neuen Ausdruck, der Frage nach der Entstehung von Kunst. In ihrer Arbeit „Merkantillleben“ hinterfragt sie den Stellenwert und die Symbolik des Stilllebens in der heutigen Zeit. Fundstücke von der Verkaufsplattform ebay, werden zu einem zweidimensionalen Stillleben. Sie erscheinen als Oberfläche auf einem tradierten Tisch, sind der Ausschnitt in „Omas“-Tischdecke. Es entsteht die mögliche Plattform für ein neues Stillleben.

In einer weiteren Arbeit sind verschiedene Fundstücke aus Holz zu sehen, die sie behandelt wie Insekten in einem Objektkasten. Hier sind es nicht die entomologischen Zuweisungen, sondern die Hierarchien von Formen ein und desselben Materials unterschiedlicher oder ähnlicher gesellschaftlicher Benutzungszuweisungen.


In den Arbeiten der Künstler wird ihre eigene Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und autobiographischen Ereignissen und Prozessen deutlich. Im Ergebnis stellen die Künstler dem Betrachter den labyrinthischen Raum zur Verfügung, machen das historische und ästhetische (Schein-)Bewusstsein erfahrbar.


Es bleibt ein Reflexionsüberschuss.


Holger Marquardt



Arbeiten

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"Always the same… only I am no longer the same…"

Simone de Beauvoir


cubus-m presents the works of artists Mara Diener, Anne Duk Hee Jordan, GaI•la Uriol Jané and Felix Schneeweiß


The living - particularly against the background of radical shifts in modern life sciences -  has become fixed in reflexive (self-)perception. In a homogenous world memories and desires dissolve, becoming part of social memory, and in the end existing merely in empty spaces. The logic of our perception allows us to understand these processes and has come about through socialization. We question the unfamiliar less and less. Instead, we position the unknown as an inlay within our existing system of logic, giving it a new dialectic.

Through human interaction with the natural environment, social and ecological systems have lost their foreign quality and autonomy. Yet, for precisely this reason, these systems now appear even more inscrutable to us. How do we encounter the dynamic micro systems in which we move? For Mara Diener, Anne Duk Hee Jordan, GaI•la Uriol Jané and Felix Schneeweiß "illusion machines" emerge from these realms of experience - that humans have repeatedly deformed and pervaded with science - in the form of movement, space, light and meaning.

The "I understand" is only then initiated by a subjective shift out of one's own role, one's own corner, into another and by confronting the question of artistic work.

The inlays, which we implant, become bridges that lead to other contexts.


Mara Diener's works are outcomes fixed at a single point, without an exact temporal or spatial marker. Diener examines her themes intensively in models, sketches, on canvas and in video. However, Diener does not use these media in the traditional sequence: the sketches are not studies for works to come, the resulting work is the sum of everything, a staging in space through which the artistic process can be readily retraced. Diener's painting is a stage, and perspective and the opening up of space enables the viewer to become the protagonist. Like a dramaturge Diener places her works in filmic views, or "shots": close-up, medium shot, long shot.


This methodology gives her room to move back and forth between reduced, almost abstract space and clearly defined space. Mara Diener secures traces; the point on the image can become a single clue to an act. In both Ensemble and Euphemisms, 2013, found objects, sticks and panes of glass enter into a dialogue with painting. Is the end product the consequence of an investigation of a historical reflection? The protagonist is left to ponder the relationship between the various elements in the work. The artist's research process is like that of archeology and ethnography. The perceptible, temporal deposits as well as the deep, inner layers of cultural development are represented by the suggestion of objectivity. Mara Diener creates a hyperreal space for synoptic conflicts.


Anne Duk Hee Jordan relocates ecological systems into an urban environment, contrasting the dead (de-construction) with the living (re-construction). For Jordan renewal and consumption of energy as constant motion represent a parallel to human existence and, thereby, human organ systems. Jordan addresses interpersonal relationships, as well as the complimentary, productive or even destructive relationship to the environment.

"If the foundation is uneven, then the wall will never be straight," so says an Afghani proverb. In Anne Duk Hee Jordan's work Stones from Khandahar - TLS - Taliban Last Stand, 2013, she allows stones to speak as witnesses. The stones are originally from KAF (Khandahar Air Field), the U.S. military base in Afghanistan. KAF is not Afghanistan; it is considered American land, the last refuge in which the final major battle took place. The stones bear witness to the preceding and continuing conflict. They tell of the war and carry the marks of it with them. They expose one of many stories, which took place in the past and transport these stories to the viewer in the present. In the installation Stones from Khandahar - TLS - Taliban Last Stand  the stones are rubbed together mechanically, producing dust. This dust becomes a bridge for perceiving, a symbol of a long process. 

The work Alfred 2 is based on Hitchcock's film, The Birds. An apocalyptic vision, beyond causality and which descends upon reality from the outside, is illustrated through the duality of aggression and provocation. The photographs were taken with a wild starling in 2013 in New York. Alfred 2 is the follow-up work to Alfred, a performance intervention that took place in Berlin in 2011.




Felix Schneeweiß' works are representations of life. Schneeweiß questions the symbols of our society. In his installations and drawings Schneeweiß works with terms such as success and belonging, failure and ostracism, illusion and reality, past and future as central themes.

The autobiographical works utilize symbols, which we use to denote personal identification and identify others, and to which we submit in our pursuit of the fulfillment of desires. In his drawings, Schneeweiß reduces traditional elements of life or advertising to their linear structures, and allows the viewer to construct his or her own relationship to the represented objects. The fear of losing a logically comprehensible world induces us to preserve things. Schnieeweiß conveys this in the lost painting through the metaphor of a ruin that seems like a thumbnail view of a forgotten, destroyed world.


Time and again GaI•la Uriol Jané explores the potential of perspective in her work. In her painting she superimposes structures, which disturb our "logical" and habitual ways of seeing. For GaI•la Uriol Jané the search for perspective is also always a search for a new expression - the question of the development of art. In ebay-Table GaI•la Uriol Jané questions the significance and symbolism of the still life genre in contemporary times. Found objects from the internet marketplace ebay become a two dimensional still life. The objects appear as a surface on a traditional table; they are the cutout in "grandma's" tablecloth. A possible platform for a new still life comes into being.

In another work various wooden found objects are displayed as though they were insects in a display case. These are not entomologic allocations, but instead refer to the hierarchy of forms, all of the same material, allocated for different or similar social purposes.


In the artists' work his or her own exploration of the social and autobiographical events and processes becomes clear. As a result, the artists present the viewer with this labyrinthian space, making historical and aesthetic (false-)consciousness perceptible.


An excess of reflection remains.

Holger Marquardt





Works

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