Felix Schneeweiß

Installation | Drawing


01. Februar - 08. März

February 1st - March 8th



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Man muss ein Gefühl einfach selbst erfahren haben, um es zu begreifen. Dies ist vielleicht am besten zu vergleichen mit der Arbeit eines Chefkochs. Auch der kann erst dann etwas auf seine Speisekarte setzen, wenn er es selbst probiert hat. Sonst funktioniert es nicht, unmöglich, das Gericht hätte andernfalls keine Seele.


Die Situationen, die Felix Schneeweiß in den Ausstellungsräumen von cubus-m produziert, erinnern an das Ambiente eines Jugend- oder Schulzimmers. Irgendwie riecht es nach Sportunterricht und Tinte, auch wenn nicht geschrieben wird und das Trikot direkt aus der Reinigung kommt (... isn't always a bowl of cherries, 2014). Die Luft ist durchtränkt von der Subjektivität des Künstlers, seinem Netzwerk, seiner Vergangenheit, seinen persönlichen Erinnerungen und Beziehungen. Die Stimmung ist dabei nicht ausgelassen, im Gegenteil, fast allem haftet ein Zuende und Abschied an, nicht ohne Nostalgie. Die Gefühle des lesenden und sehenden Beobachters werden dirigiert und komponiert, schwankend wie im Teenagealter, auf Happy (2013) folgen Tränen, als ob man jetzt bereits wüsste, dass der schönste Moment, die beste Zeit, gerade (oder sogleich wieder) vorüber wäre. Schneeweiß macht mit seinen gezielt gesetzten Spuren dem Besucher jeden seiner Schritte bewusst: und vermag dadurch, das Verschwinden – eines Gefühls, einer Person, eines Erlebnisses – aus dem Bewusstsein noch einen Moment hinauszuzögern.


Titel können zu Eintrittskarten für Außenstehende werden: Oft widersinnig oder bewusst paradox in ihrer Wirkung, eröffnen sie im Zusammenspiel mit den alltäglichen Objekten und Gegenständen Zwischenräume, die sich mit individuellen Empfindungen auffüllen lassen. Dabei changieren die gezeigten Arbeiten zwischen Rekapitulation und (künstlerischer) Selbstverortung: die eigene Identität und seinen Namen stellt Schneeweiß in Genealogie mit Künstlerikonen aus seiner persönlichen Hit- und Wunschliste von Klassenkameraden, in Form von zehn unbeschriebenen Schulheften, aufgereiht auf einem Regalbrett, betitelt lediglich mit den Eigen- und abgekürzten Nachnamen ihrer vermeintlichen Besitzer (Die Klasse von eben, 2013). Das zukunftsträchtige Gegenstück, Die Klasse von morgen (2013/2014), weckt Emphathie, jedoch wenig Hoffnung: sie besteht aus Fotografien von fünf – guten bis sehr guten – Freunden des Künstlers, hier zusammengefügt in einen gemeinsamen Rahmen, die sich, unabhängig voneinander, mit verweinten Gesichtern in Passbildautomaten ablichten ließen. Daneben bilden weggefegte Konfettis einer verpassten Feierlichkeit nun ein Hindernis, welches bei jedem Überschreiten zum Zurückdenken zwingt.


Kleinformatige, fortlaufend nummerierte und als Fries gehängte Zeichnungen artikulieren den nonverbalen Ausdruck des Künstlers zwischen seinen Objektfindungen. Ein mit Bitumen überzogener Kranz mit dunkler Schleife wird – ohne personifizierende Indikatoren – zum Symbol des Eingedenkens und weist sich dabei als unspezifischer Liebesbeweis aus (This is why I love you, 2014). An anderer Stelle spricht Schneeweiß auf in 100-facher Auflage produzierter Schallplatte – erhältlich einschließlich vermummtem Künstler-Portrait im Posterformat – den Satz 'bitte erinnere dich an mich, bitte'. Davor und danach brummendes, synchron zur Erwartungshaltung ansteigendes und abfallendes Rauschen: das endlose Ende der bewahrenden Aufzeichnung (Bitte, 2013). Schließlich markiert der auf einem Galeriefenster hinterlassene Abschiedskussmund die (räumliche) Schwelle zwischen öffentlich und privat, zwischen persönlicher Berührung und Geste sowie allgemein-lesbarem bzw. übertragbarem Zeichen, welches Abwesendes heraufbeschwört und wohl nur bei Ungeküssten keine Erinnerung auslöst (public affairs, 2014).


Möglicherweise rettet sich etwas von der Poesie der hier gezeigten Arbeiten zurück in den Alltag, wenn von einem Besen zurückgeschobene Partyreste, ein zufällig wiedergefundenes Schreibheft, Andenken oder Kleidungsstück eine Sehnsucht umschreiben: dass die Dinge damals irgendwie besser waren als heute und doch in Wirklichkeit nie so gut, wie sie rückblickend erscheinen.


Julia Müller



One simply must experience a feeling oneself in order to understand it. The best comparison may be to the work of a chef. The chef, too, can only add a dish to the menu once he has tasted it himself. Otherwise it does not work. Impossible, or else the dish would have no soul.


The situations Felix Schneeweiß produces in the exhibition space of cubus-m, call to mind the ambience of a teenager’s bedroom or a schoolroom. Somehow the scent is reminiscent of gym class and of ink – even if no one is writing by hand or if the sport jersey has come fresh from the dry cleaners (... isn't always a bowl of cherries, 2014). The air is thick with the artist’s subjectivity, his network, his past, his personal memories and relationships. The mood is not exuberant, but just the opposite – almost everything bespeaks finality and leave-taking, and not without nostalgia. The emotions of the reading and viewing audience are orchestrated and composed, becoming erratic like those of a teenager. Happy (2013) elicits tears, as if one already understood that the most beautiful moment, the best time, had just gone by (or passed again immediately). With his purposely-placed traces, Schneeweiß makes the viewer aware of every step: thus, Schneeweiß is able to delay the fading of an emotion, a person or an experience from consciousness for just a moment longer.


Titles can become admission tickets for outsiders. Often illogical or intentionally paradoxical in their effect, through interplay with the everyday objects on display titles open interstitial spaces, which can be filled with individual feelings. Thus the works on display oscillate between recapitulation and (artistic) self-positioning. Schneeweiß places his own identity and his name in a genealogy with art icons from his personal hit and wish list of classmates in the form of ten blank composition books, lined up on a shelf, each titled simply with the first and abbreviated last name of its supposed owner (Die Klasse von eben, The class of just now, 2013). The companion piece Die Klasse von morgen, The class of tomorrow (2013/2014), full of promise, arouses empathy, yet little hope: photographs of five – close to very close – friends of the artist who have been photographed independently of one another in a photo booth with tear-stained faces. The five images are assembled together in a single frame. Adjacent, swept up confetti left over from a missed festivity now creates an obstacle that compels reflection with every step.


Small format, consecutively numbered drawings, hung as a frieze, articulate the non-verbal expression of the artist between his object findings. A wreath covered in bitumen and adorned with a dark, unpersonalized bow, becomes a commemorative symbol and, so, an unspecified token of love (This is why I love you, 2014). Elsewhere, in an edition of 100 vinyl records, each including a masked self-portrait of the artist in poster format, Schneeweiß repeats the sentence, “Please remember me, please.” The phrase is preceded and followed by a buzzing noise, synchronous with one’s expectation of rising and falling sound: the endless end of the perpetuating recording (Bitte, Please, 2013). Finally a good-bye kiss left behind on a gallery window marks the (spatial) threshold between public and private, between personal touch and gesture, and is, as well, a commonly understood, or rather, translatable symbol that conjures absence and triggers memory for all but the unkissed (public affairs, 2014).


Perhaps some of the poetry of these works is preserved in everyday life, when a swept-up pile of debris from a party, a notebook rediscovered by chance, a memento or a piece of clothing describe a longing: that things were somehow better “back then” than today and, yet, in actuality were never as good as they seem looking back.


by Julia Müller